Vortragsprogramm Herbst/Winter 2025/26
Donnerstag, 30.10.2025 | 18.30 Uhr | Christian-Albrechts-Platz 3, Hörsaal 3
Prof. Dr. Ulrike Egelhaaf-Gaiser (Göttingen)
Alles unter Kontrolle? Wo Tempelwächter das Sagen haben…
Der Vortrag widmet sich einer Personengruppe, die in Handbüchern zur römischen Religion häufig gänzlich unerwähnt bleibt, obwohl sie gerade unter dem Aspekt der räumlichen Kontrolle eine zentrale, ja unverzichtbare Rolle spielt: Gemeint sind die Tempelwächter (aeditui), die – im Unterschied zu den Priestern – in aller Regel Tag und Nacht am Heiligtum präsent waren, dort arbeiteten und schliefen. Insbesondere soll danach gefragt werden, ob überhaupt, und wenn ja: in welcher Form und bis zu welchem Grad Tempelwächter die Vorgänge am Heiligtum kontrollieren. Sind sie befugt, eigenverantwortlich Entscheidungen zu treffen oder nur Befehlsempfänger, die der Kontrolle anderer, höher gestellter Personen (oder unvorhergesehener Umstände) unterliegen? Wer übernimmt die Aufgaben der Tempelwächter, wenn diese einmal nicht vor Ort verfügbar sind? Antworten auf diese und weitere Fragen lassen sich nur in Kombination verschiedenster literarischer „Streufunde“ gewinnen; um dem Eindruck eines kunterbunten Potpourris entgegenzuwirken, wird der Vortrag mit der vertieften Besprechung eines gleichermaßen überraschenden wie aufschlussreichen Fallbeispiels, nämlich einer Partie aus der landwirtschaftlichen Lehrschrift des spätrepublikanischen Enzyklopäden Varro, schließen.
Mittwoch, 26.11.2025 | 18.30 Uhr | Kieler Gelehrtenschule
Prof. Dr. Islème Sassi (Kiel)
Verlockung und Verweigerung. Konsens in der Erotik bei den augusteischen Dichtern
Sehnsucht und Begehren sind zentrale Aspekte der Liebeselegie. Doch was, wenn Begehren nicht erwidert wird? Oder wenn die Signale unklar sind? Lebt das erotische Spiel nicht gerade vom Spannungsfeld des Uneindeutigen? Jemand muss den ersten Schritt tun – doch wann gerät ein solcher zum Übergriff?
Donnerstag, 11.12.2025 | 18.30 Uhr | Christian-Albrechts-Platz 3, Hörsaal 3
Dr. Mélanie Flossmann-Schütze (München)
„Manhattan in der Wüste“. Die griechisch-römischen Siedlungen von Tuna el-Gebel/Hermopolis Magna
Die Turmhaussiedlungen in Tuna el-Gebel bieten neue Einblicke in die Organisation des Tierkultes im griechisch-römischen Ägypten. Neben einem unterirdischen Tierfriedhof und den damit verbundenen Heiligtümern lieferten die Ausgrabungen (LMU München/Universität Kairo/DAI Berlin) der Wohn- und Arbeitsareale der lokalen, religiösen Kultgemeinschaften erstmals einen detaillierten Einblick in den vom Tierkult geprägten Alltag. Der Vortrag befasst sich mit den Lebensräumen der Bewohner, zu denen verschiedene Priester, Handwerker und weitere Mitglieder gehörten. Archäozoologische und archäobotanische Untersuchungen von Speiseresten geben zudem Aufschluss über die Ernährungsgewohnheiten der damaligen Siedlungsbewohner: Das völlige Fehlen von Schweinefleisch- und Fischresten, zwei Grundnahrungsmitteln der damaligen Gesellschaft, lässt auf ein religiöses Speiseverbot schließen, das den Konsum von Schwein und Fisch in Tuna el-Gebel untersagte.
Donnerstag, 15.01.2026 | 18.30 Uhr | Christian-Albrechts-Platz 3, Hörsaal 3
Dr. Lilli Zabrana (Wien)
Jenseits des Tempels. Neue Einblicke in Temenos und Territorium des Artemisions von Ephesos
In der über 150-jährigen Forschungsgeschichte des Artemision von Ephesos stand seit seiner Wiederentdeckung durch John Turtle Wood um 1870 vor allem der Tempel der Artemis im Zentrum des archäologischen Interesses. Der ihn umgebende, ehemals dicht bebaute heilige Bezirk blieb hingegen weitgehend unbeachtet. Jüngste Forschungen zeigen jedoch, dass der Artemistempel nicht isoliert betrachtet werden kann, sondern als integraler Bestandteil eines vielschichtigen urbanen Gefüges zu verstehen ist, das kultische, administrative, soziale und wirtschaftliche Funktionen miteinander verband. Im Fokus der aktuellen Arbeiten des Österreichischen Archäologischen Institutes stehen daher nicht mehr Sakralbauten und Votivgaben, sondern vor allem der heilige Bezirk (Temenos) sowie die Besitzungen des Heiligtums (Territorium).
Donnerstag, 22.01.2026 | 18.30 Uhr | Christian-Albrechts-Platz 3, Hörsaal 3
PD Dr. Asja Müller (Kiel)
Verborgene Wege. Hinter den Kulissen des Asklepieions von Pergamon
Die gegenwärtige Heiligtumsforschung konzentriert sich oft auf die Hauptzugangswege und die zentralen Opferhandlungen während großer Feste. Betrachtet man den Befund jedoch näher, so zeigen sich insbesondere bei griechischen Asklepiosheiligtümern oft Spuren eines zweiten Verkehrsnetzes, das sich hinter und zwischen den allgemein zugänglichen Wegen erstreckte. Dieses verborgene Verkehrsnetz, dessen Zugänglichkeit vermutlich auf das lokale Kultpersonal beschränkt war, funktionierte nach völlig anderen Vorgaben als das primäre. Es hatte vor allem zum Ziel, den störungslosen Ablauf des alltäglichen Heiligtumsbetriebs zu gewährleisten und verknüpfte den zentral gelegenen, öffentlich zugänglichen Altarplatz mit Servicebereichen und/oder den Wohnungen des Kultpersonals. Der Vortrag widmet sich daher diesem alternativen Heiligtum, das hinter den Kulissen aufscheint.
Donnerstag, 29.01.2026 | 18.30 Uhr | Christian-Albrechts-Platz 3, Hörsaal 3
Prof. Dr. Kaja Harter-Uibopuu (Hamburg)
Zwischen Kult und Kontrolle. Alltag in Heiligtümern im hellenistischen und kaiserzeitlichen Griechenland und Kleinasien
In Inschriften publik gemachte Vorschriften aus griechischen Heiligtümern – in der Forschung traditionell als leges sacrae, neuerdings auch als cultic norms bezeichnet – regelten in hellenistischen und kaiserzeitlichen Poleis vielfach nicht das Sakrale, sondern den administrativen Alltag. Der Vortrag zeigt anhand epigraphisch überlieferter Beispiele aus dem griechischen Mutterland und Kleinasien, wie Amtsträger die Einhaltung der Verhaltensvorschriften für Besucher von Heiligtümern und Teilnehmer an Kulthandlungen überwachten, und welche Einblicke die Rechtstexte in den tatsächlichen Ablauf von Kultfesten geben können.
Donnerstag, 05.02.2026 | 18.30 Uhr | Christian-Albrechts-Platz 3, Hörsaal 3
Dr. Katharina Rieger (Graz)
Heiligtümer im Wirtschaftsraum. Kleine Sakralorte in der Palmyrene als Orte wirtschaftlicher Aushandlungsprozesse
Im Umland der antiken Oasenstadt Palmyra finden sich zahlreiche kleine Heiligtümer in Siedlungskontexten. Aus diesen architektonisch oft einfach gestalteten sakralen Gebäuden stammen viele der Bildwerke, mit denen in der Archäologie „palmyrenische Religion“ illustriert wird, da sie zahlreiche Gottheiten darstellen; dazu kommen Objekte mit Inschriften in verschiedenen Schriften und Sprachen.
Der Vortrag betrachtet diese Heiligtümer nicht nur als Orte religiöser Handlungen, sondern versucht sie in wirtschaftliche Praktiken im Steppengebiet rund um die Oase Palmyra einzubinden. Dabei richtet sich der Blick auf mobile Lebensweisen, Ressourcenmanagement und Güterverteilung – wirtschaftliche Transaktionen, und auf die Rolle der sakralen Plätze und Gottheiten, die in diese Aushandlungsprozesse von den menschlichen Akteuren einbezogen werden.
Donnerstag, 12.02.2026 | 18.30 Uhr | Christian-Albrechts-Platz 3, Hörsaal 3
Dr. Asuman Lätzer-Lasar (Marburg)
Sacrum et Mercatura. Mater Magna zwischen Religion und Ökonomie im antiken Rom
Der Kult der Mater Magna in Rom offenbarte eine vielschichtige Verflechtung von Religion und Ökonomie. Während das Heiligtum auf dem Mons Vaticanus selbst als Wirtschaftsbetrieb auftrat und durch seine religiösen Dienstleistungen seine erforderlichen Einnahmen generierte, bietet das palatinische Heiligtum ein kontrastierendes Bild: Von hier gingen zwar keine eigenen Wirtschaftsaktivitäten aus, doch profitierten umliegende Betriebe nachweislich von der Kultpraxis. So belegen sowohl eine unterhalb des Heiligtums gelegene fullonica als auch eine angrenzende taberna die engen Wechselwirkungen zwischen sakralem Raum und lokaler Wirtschaft.
Christian-Albrechts-Platz 3, Hörsaal 3
24118 Kiel



